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Performance am 13.10.2012 auf dem Grundstück Hüblerstraße 9 in Dresden

Am Anfang steht immer der Wunsch etwas zu tun. Zum Beispiel mit einer eigentümlichen Ruinenfläche, die im sonst so schmucken Umfeld des Schillerplatzes in Dresden auffällt. Ein Schandfleck? Ein vergessener Nicht-Ort? Ein Freiraum für Gedankenspiele. Leere bedeutet immer auch Potenzial und die Möglichkeit, etwas anderes zu werden.

ein Ort zwischen Innen und Außen, Schandfleck und Utopie

ein Ort zwischen Innen und Außen, Schandfleck und Utopie

Die Frage nach dem Potenzial des Ortes führt nicht nur in die Zukunft, sondern auch in die Vergangenheit; meint nicht nur die verbliebenen Mauern, sondern auch die Vorstellung dieses Raumes in den Köpfen der Menschen. Daraus entstand unsere Performance-Idee. Für einen (sonnigen Spätherbst-) Tag sollte das Potenzial und die Bedeutungsdimensionen des Ortes in ihm selbst sichtbar gemacht werden.

Bevor wir unsere Idee in die Tat umsetzen konnten, musste erst recherchiert werden, wem das Grundstück gehört und ob wir für unser Projekt die Erlaubnis der Eigentümer bekommen würden. Auch stellte uns die Organisation des immensen Materialaufwandes im Vorfeld vor einige Herausforderungen.
Am 13.10.2012 begannen wir in der frühmorgendlichen Dunkelheit – gut ausgerüstet mit Kopflampen, Werkzeugen und der Erlaubnis der Besitzer – den Raum in der Hüblerstraße 9 zu säubern. Wir rissen die gewachsenen Pflanzen aus, sammelten Schutt ein und wischten die zutage tretenden Fließen. Im Laufe der Säuberung wurde es hell, erste Passanten, die ihre Frühstücksbrötchen beim Bäcker um die Ecke kauften, schauten verwundert durch die frisch geputzten Schaufenster und fragten neugierig nach. Nachdem wir mit mitgebrachten Sofa, Tischen, Stühlen, Kissen und weiteren Utensilien unser provisorisches Café eingerichtet hatten, konnten wir die ersten Besucher mit frischem Kaffee, leckeren Muffins oder einer wärmenden Suppe begrüßen.

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Mit ihnen kamen wir an der Nähmaschine für Traumkissen, an der großen Papierbahn zum Zeichnen und beim Mahlen von Kaffeebohnen ins Gespräch: Über diesen Raum, seine Geschichte, die persönlichen Erinnerungen der zufälligen Passanten an diesen Ort und ihre Wünsche für die zukünftige Nutzung. Was brauchen die Anwohner des so fein wieder hergestellten Schillerplatzes in ihrem Viertel? Dies notierten sie auf Postkarten, die wir in die Schaufenster hängten, sodass die Passanten sie von der Straße aus lesen konnten. Viele der Gespräche entwickelten sich in ganz unterschiedliche Richtungen: von persönlichen Schicksalen rastloser Existenzen, dem Leben in Dresden bis hin zur Zukunft in Deutschland. Daneben waren es vor allem Kinder, die länger bei uns blieben, malten, zeichneten, erzählten und sogar beim Kaffeebohnenmahlen halfen. Von der im Vorfeld befürchteten Ablehnung des Ungewohnten durch die gutbürgerlichen Anwohner war an diesem Tag fast nichts zu spüren. Vielmehr begegneten wir Neugier und der Bereitschaft zum Gespräch.

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Als die Sonne zu sinken begann, mussten wir unser Café wieder abbauen, welches für manchen zum Bild einer Utopie für diesen Ort und das Viertel geworden war. Wir machten die Stimmen der Anwohner zu diesem Ort sichtbar. Noch heute hängen sie im Schaufenster der nun wieder verwaisten Brachfläche und zeigen seine Bedeutung für die Menschen, sein Potenzial für die Zukunft. Auch wenn die Bebauungspläne der Eigentümer feststehen.